Es war ihr Aachen-Jahr: Ingrid Klimke! Sie siegte im Aachener DHL-Preis, der Drei-Sterne-Vielseitigkeits-Prüfung, im Sattel von Escada, sie wurde Zweite im Sattel von Hale Bob und sie gewann mit ihrem Team.
„Ich komme auf die Platte!“, strahlte, schwärmte und jubelte Klimke fassungslos. „Auf die Platte!“ damit meint Klimke die Aachener Tafel, auf der jedes Jahr der Name des Siegers ergänzt wird. „Das war so eine Art ‚running gag’ bei uns“, erklärte die 47-Jährige. „Ich wollte immer einmal hier gewinnen. Letztes Jahr war ich schon mal Zweite, dass es aber in diesem Jahr gleich mit dem Sieg und Platz zwei klappt, macht mich fassungslos.“ Mit beiden Pferden beendete sie die Prüfung mit ihrem Dressurergebnis, das bedeutet: sowohl mit Escada, als auch mit Hale Bob blieb sie fehlerfrei im Springparcours und absolvierte den Geländekurs ohne Hindernis- und Zeitfehler. Eine absolute Ausnahmeleistung. „Ich hatte auf beiden Pferden ein tolles Gefühl“, erklärte Klimke. „Es war ein Traum. Beide sind voll fit, beide haben auch schon Vier-Sterne-Prüfungen gewonnen und konnten diesen Drei-Sterne-Kurs in Aachen absolvieren, ohne sich verausgaben zu müssen. Es waren optimale Motivationsrunden und damit eine optimale Vorbereitung auf die Europameisterschaften in vier Wochen.“ Welches Pferd ihr Favorit für die Europameisterschaft Mitte September in Schottland sei, wollte sie nicht verraten und lachte: „Die Frage gebe ich einfach weiter an unsere Bundestrainer.“
Bundestrainer Hans Melzer hat die Qual der Wahl, noch nie hatte er so viele Topreiter zur Auswahl wie in diesem Jahr und sie haben sich mit erstklassigen Runden in der Aachener Soers empfohlen. „Unsere Jungen hatten ein wenig Pech“, erklärt Melzer nach dem DHL-Preis, „aber alle anderen sind geritten wie die Teufel.“ Die ‚Jungen’ waren der erste 20-jährige Niklas Bschorer, der seit vier Jahren in England zu Hause ist und erstmals in Aachen am Start war, und der 22-jährige Sohn von Doppel-Olympiasieger Hinrich Romeike, Claas Romeike. Beide hatten im Gelände einen ‚Vorbeilaufer’.
Zum deutschen siegreichen Team gehörten neben Klimke, die für die Teamwertung mit Hale Bob geritten war, Doppel-Weltmeisterin Sandra Auffarth mit ihrem WM-Partner Opgun Louvo, Olympiasieger und Weltmeister Michael Jung mit Halunke und Dirk Schrade mit Hop and Skip. Im Einzelranking belegte Auffarth zudem Platz drei. Jung war wie Klimke mit zwei Pferden in Aachen am Start, belegte die Plätze fünf mit dem achtjährigen Takinou und neun mit dem elfjährigen Halunke. „Aachen war wieder ein supertolles Turnier“, freute sich Jung. „Das war für uns die optimale Championatsvorbereitung, auch weil wir noch einmal die Dressur auf Rasen reiten konnten – so wie es auch in Schottland bei der Euro sein wird.“
2006 wurden die deutschen Vielseitigkeitsreiter Mannschafts-Weltmeister in Aachen, seitdem gewannen sie mit einer Ausnahme jedes Jahr die Aachener Teamwertung, 2015 zum achten Mal! Einen Tag nach diesem achten Sieg wird der Vielseitigkeitsausschuss des Deutschen Olympiade-Komitees der Reiterei das Team für die Europameisterschaften im September benennen.
Der zweite Teamplatz im DHL-Preis ging an die Reiter aus Neuseeland. Mit 126,8 Punkten folgten sie den Deutschen (120,5 Punkte) und setzten sich vor die Reiter aus den USA mit 192,9 Punkten. „Ich war sehr glücklich, wie unsere Reiter den Kurs gemeistert haben“, lächelte Equipechef Erik Duvander. „Und wir sind sehr zufrieden mit dem zweiten Platz.“
Das Team der Engländer, die nach Dressur und Springen den Erstplatzierten noch dicht auf den Fersen waren, platzte. Die 22-jährige Holly Woodhead, die sich mit einer sehr guten Dressur überraschend auf den dritten Platz der 42 Starter geritten hatte, hat ein Hindernis im Gelände außerhalb der Markierung überwunden und musste disqualifiziert werden. Damit waren nur noch zwei Teamreiter übrig und eine Teamwertung unmöglich.
Ebenso viel Lob wie für Klimke gab es für den Aachener Parcoursbauer des Geländekurses Rüdiger Schwarz. „Rüdiger ist ein Meister im Positionieren, es gibt keinen besseren!“, lobte beispielsweise der zweifache Mannschafts-Olympiasieger Peter Thomsen, der mit Barny lediglich Zeitfehler im Gelände kassierte. Und Equipechef Duvander gestand, was viele Reiter bestätigten: „Um ehrlich zu sein, haben wir nach dem Abgehen gedacht der Kurs sei etwas einfacher als in den Vorjahren. Aber wir haben uns eines Besseren belehren lassen müssen. Es war eine Herausforderung, ein reeller Drei-Sterne-Kurs.“
Aachen als Sprungbrett für die Europameisterschaft – der Optimaltest und das optimale Ergebnis für Ingrid Klimke. „Jetzt werde ich erst mal meinem gesamten Team Einen ausgeben!“