Er ist und bleibt eine der Klippen des Hamburger Derbyparcours: Der mächtige, rund 3,5 Meter hohe Derbywall. Eine Stecknadel hätte man am Freitag Nachmittag im Hamburger Derbypark fallen hören, als Sandra Auffarth und Nupafeed’s La Vista zum ersten Mal in ihrer gemeinsamen Laufbahn auf den berühmten Derbywall galoppierten. Erst der Aufsprung und das weiße Rick, dann die leichte Parade zurück, ein kurzer Blick hinunter aus rund vier Metern Höhe, bis zur Mitte runterrutschen lassen, bevor sich die Stute vom Wall abdrückte und unter dem Raunen des Publikums weitergaloppierte. Ob Birkenoxer, Mauer oder Holsteiner Wegesprünge – die beiden liessen den 720 Meter langen Kurs mit seinen 17 Sprüngen wie ein Kinderspiel aussehen. Das Hamburger Publikum feierte die fehlerfreie Runde der Vielseitigkeits-Weltmeisterin mit einem Sonderapplaus. Sonst eher zurückhaltend, genoß die 31-jährige sichtlich die tolle Atmosphäre.„Je größer der Platz und je höher die Sprünge, je motivierter ist Nupafeed’s La Vista“, freute sich die Vielseitigkeits-Weltmeisterin. Umso besser, dass Besitzerin Dorothea von Ehrlich ihr die Fuchsstute für den weiteren Werdegang anvertraut.
Doppelnull in beiden Derby-Qualifikationen, hinter den Kulissen wird Sandra schon als eine der Favoriten für das morgige Derby gehandelt. Dabei haben die Briten und allen voran der Sieger beider Qualifikationen, Dermott Lennon (Irland), ihre gute Form eindrücklich gezeigt. Ebenfalls in Topform zeigte sich Henrik Sosath, der in unmittelbarer Nachbarschaft von Auffarths lebt. Er rangierte gestern als bester Deutscher auf Platz 7 und 16. Nun hat er die Qual der Wahl, da er nur ein Pferd im Derby starten kann. Vor drei Wochen war er beim erstmals ausgetragenen S-Derby in Ganderkesee am Start. Zur Vorbereitung auf Hamburg wurde ein extra Parcours mit Pulvermann, Mauer, Eisenbahnschranken, Wall mit Planke und Gatter nachgebaut. Gewonnen wurde es von Ingrid Klimke auf Parmenides. Hier zeigte sich schon, dass Buschreiter mit einigen der typischen Derby-Hindernissen wenig Probleme haben.
Schwerster Parcours der Welt
Wer Sandra kennt, weiß, dass sie nichts dem Zufall überlässt: „Ich habe mir im Vorfeld Tipps von Thomas Kleis und Carsten-Otto Nagel geholt.“ Der zweifache Derbysieger Nagel hat in seinem Heimatstall nahe Hamburg den original Derby-Parcours stehen. Hier holt sich so manch einer den letzten Schliff für den 1250 Meter langen Kurs am Sonntag. 17 Hindernisse, 24 Sprünge bis 1,65 Meter Höhe sind in 180 Sekunden zu absolvieren.
„Morgen wird es noch einmal deutlich schwerer. Höher, länger und manche Sprünge ganz neu dabei. So wie die irischen Wälle am Ausgang, das irritiert die Pferde schon mal. Null zu bleiben wäre natürlich ein Traum“, so Sandra Auffarth.
Heute steht nur leichtes Training auf dem Programm für die selbstgezogene 9-jährige Lordanos-For Pleasure-Stute. Wegen ihrer etwas eigenen Technik sammelte sie in Springpferde-Prüfungen weniger Schleifen. Erst als es 6jährig beim Hannoveraner Springpferde-Championat im Finale gegen die Zeit ging, zeigte Nupafeed’s La Vista ihre Klasse. Sie gewann das Championat und startete ein Jahr später zum ersten Mal bei der Youngster-Tour in Hamburg. Auf die Idee, beim Derby mitzureiten, kam Auffarth 2017 in Bad Oeynhausen: „Da ist sie so selbstbewusst gesprungen, da dachte ich mir, das könnte was werden“.
Auf einen Preis dürfte sie morgen bereits eine heiße Anwärterin sein: Den Stilpreis im Deutschen Springderby. Er wird am Sonntag für den besten Ritt vergeben. Allein für die Ritte am Mittwoch und Freitag hätte sie ihn schon verdient.
Die letzte siegreiche Frau des Blauen Bandes war Carolin Bradley auf New Yorker. Das war 1975. Seit 1920 konnten mit Imgard Opel, Marion Mould und Käthe Schmidt-Metzger nur drei weitere Frauen das Hamburger Springderby gewinnen.
Den Respekt unter ihren männlichen Konkurrenten hat die zurückhaltende Norddeutsche schon erritten. Morgen dürfte mit Sicherheit so mancher genau auf den Monitor beim Abreiteplatz hinschauen, wenn sie ihr Derby-Debüt feiert…
Text: Nicole Sollorz
Fotos: Kerstin Hoffmann